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Dienstag, 27. Januar 2015

Mein Kabinett im Stil des 18. Jahrhunderts






Schon immer hat mich die Vorstellung fasziniert in einem Schloss zu leben. Sicherlich sind mir Probleme wie Kälte, Unterhalt - und Instandsetzungskosten bewusst. Aber ganz darauf verzichten wollte ich dennoch nicht - also ließ ich meine Kreativität freien Lauf. Denn so etwas ist auch mit einem sehr geringen Budget umsetzbar - sofern man die Fähigkeiten besitzt, alles selbst zu machen.

Ich fasste den Entschluss, zumindest ein Zimmer in meiner Wohnung im historischen Stil einzurichten. Ausgangssituation: 3 Zimmer, knappe 73qm, sehr schmales Budget und eigentlich kein Platz; ideale Vorraussetzungen also......aber dafür hat man ja bildende Kunst studiert ^^
Der Gedanke beschäftigte mich seit Jahren und durchlief viele Planungsphasen. Was für ein Raum sollte es werden, in welchem Stil usw. ?
Die sinnvollste Lösung erschien mir ein Cabinet im Rokokostil zu sein, auch wenn ich eigentlich mehr am großen Stil Louis XIV hänge.
Ein Kabinett, oder frz. Cabinet, beschrieb im 18. Jahrhundert private Räumlichkeiten, auch Hinterzimmer in den Schlössern. Hier wurde sich vertraulich beraten und ungezwungen fern der Etikette gewohnt.
Hinterzimmer ist hier völlig wertneutral, denn diese kleinen Gemächer waren meist erlesen dekoriert und sehr geschmackvoll eingerichtet. Außerdem hatten die Cabinets meist niedrige Decken, denn sie entstanden als Fluchtmöglichkeit vor den hohen und damit oft kalten und zugigen Sälen.

So war auch das "Cabinet" die einzige sinnvolle Wahl für meine Raumgestaltung. Da ich in keinem typischen Altbau wohne, leider sind die Decken abgehängt, dementsprechend nur über normal hohe Decken verfüge (etwas mehr als 2,50 Meter), war an einen Salon oder Repräsentationszimmer etc. gar nicht zu denken. Beispiele für solch intime Zimmer gibt es ja zu Hauf - die privatesten Räumlichkeiten z.B. in Versailles haben auch kaum höhere Decken - man denke hier an das berühmte Cabinet de Meridienne der Marie Antoinette, oder gar die Räumlichkeiten in der 2.Etage des Schlosses - warum also nicht ?







Die Planungen:



 entgültige Planung für die Umgestaltung


Im ersten Planungsverlauf ging es darum, erst einmal zu überlegen, was in diesem Raum hauptsächlich gemacht werden sollte. Natürlich wollte ich dort kleine private Rokoko-Gesellschaften einladen, aber den Rest des Jahres sollte der Raum ja ebenfalls Sinn machen.
Das Zimmer sollte auch im Alltag nutzbar sein, so groß ist meine Wohnung nun auch nicht. In erster Linie würde ich mich hier natürlich zum Lesen, Musikhören, Zeichnen, Nähen und Sticken aufhalten, aber der Raum sollte auch unbedingt als Speisezimmer nutzbar sein.

Ich fasste den Entschluss - auch wenn es unhistorisch ist - gleich mehrere Kabinette in einem zu kombinieren. Ich wollte hier meine Bibliothek unterbringen, und darin integriert einen Kaminplatz mit dem obligatorischen Spiegel.
Nach einigen Überlegungen entschloss ich mich auch einen richtigen Alkoven zu installieren, mit Ruhebett. Hierdurch schaffte ich eine gemütliche Ecke zum Dösen und Lesen, außerdem konnte ich so die moderne Tür zum Zimmer, dem späteren Kabinett, kaschieren. Die verbleibende Wand sollte vertäfelt werden um dann meine 3 Lieblingsgemälde aufzunehmen.
Der Stil war auch schnell gefunden: französisches Rokoko sollte es sein, mit einigen deutschen Einflüssen.
Der Alkoven in dieser Form kommt fast nur in frz. Schlössern vor, die Dekoration richtete sich daher auch hauptsächlich nach frz. Vorbildern, deutschen Akzente setzten später die verspielten Rocaillen.

Ich fragte Martin, der sich mit Holzarbeiten auskennt und über das nötige Werkzeug und Geschick verfügte, ob er mir hilft und ob meine Idee umsetzbar wäre - er meinte: kein Problem, also starteten wir.



Die Realisierung:




Der Raum vor der Umgestaltung, ein gewöhnliches Wohnzimmer


Nachdem die alte Studentenbuden-Einrichtung auf den Sperrmüll wanderte, legte ich unter der Auslegeware der Vormieterin das Parkett frei. Dies wurde intensiv gereinigt.


Durch den geplanten Alkoven konnte ich gleich mehrere Probleme beseitigen, die moderne Tür verschwand nun in der Vorkammer, und ein komplizierte Umbauung der Tür konnte so vermieden werden - außerdem hätte dann die originale Zimmertür ausgehängt werden müssen und würde nur Platz im Keller wegnehmen.
Weiter bot die Vorkammer nun Platz für einen kleinen Schrank, sowie die aufbaubare Tafel für Gesellschaften. Und für meine kleine Kupferstichsammlung war nun auch ein passender Platz gefunden. Die Vorkammer wurde mit einer hübschen Vliestapete tapeziert, die die spätere Raumgestaltung farblich aufgriff.
Auf der anderen Seite entstand natürlich eine weitere kleine Kammer in der wir mehrere Regalböden einbauten: Es entstand so ein sehr geräumiger Wandschrank: genug Platz für meine Näh- und Zeichenutensilien, Gesellschaftsspiele und sonstigen Kram.
Die ganze Konstruktion ragte nur einen Meter in den Raum hinein, machte den Raum auch optisch nicht kleiner.



die ersten Bauarbeiten für den Alkoven






Der Alkoven nachdem er mit einer Untergrundtapete für die spätere Dekoration beklebt wurde. Die Türen und die Stoffbespannung fehlen noch, die Dekoration ist gerade im Entstehen.





Natürlich ist es heute kaum mehr möglich geschnitzte Wandtafeln zu verwenden. Es sei denn man beherrscht dieses Handwerk selbst oder ist bereit und in der Lage diese Handwerksleistung bezahlen zu können. Da aber auch damals mit anderen Mitteln improvisiert wurde, tat ich dies ebenfalls. Zunächst wurden entsprechend breite und große Pressspanplatten auf eine Unterkonstruktion von Dachlatten geschraubt und genagelt, es folgte der erste Anstrich als Grundierung. Darauf kam eine Vorzeichnung für die Ornamentik und direkt die ersten Zierleisten.
Nun begann der aufwendigste Teil, das modellieren der Rocaillen und Blütenornamente.



Die mit Platten verkleidete Wand



nach dem ersten Anstrich, die Zierleisten



Beginn der Modellierungsarbeiten



Detail des Decors im Rohzustand



Nun wurde diese Wand erneut weiß gestrichen und die Wandverzierungen vergoldet.
Die Gemälde kamen direkt an ihren Platz.




Die "Gemäldewand" im fertigen Zustand




Jetzt war es endlich Zeit mit dem nächsten größeren Einbau zu beginnen, der Bibliothek.

Im Zentrum der Wand wurde ein Hohlkörper aus Holz aufgebaut mit einer großen Öffnung - der spätere Kamin, bzw. eine Maske wurde davor gesetzt (dieser Kamin ist natürlich nicht funktionsfähig, sondern dient nur der historisch stimmigen Optik. Innen wurde der Bau mit einer Ziegeltapete dekoriert. Darüber, gewissermaßen der Schlot, wurde als Regal gebaut.

Rechts und links davon entstanden die Bücherregale, hier erhielt mein altes Ikea-Regal, das ich seit 20 Jahren besaß und in dem ich bisher meine Bücher aufbewahrte, ein neues Leben. Zudem konnte durch die Wiederverwendung der Holzbretter kräftig gespart werden.


Die Bibliothek im Bau




Die Kaminmaske bemalte ich mit einer Marmorstruktur und um den entsprechenden Glanz zu erzielen, gab es noch einen Glanzlack, das gleiche erfolgte später bei der Fußleiste des gesamten Raumes.
Das Regal über dem Kaminplatz verschwand hinter einer beweglichen Wand: Auf dieser Platte wurde ein Spiegel aufgeschraubt: gefräste Führungsschienen unten und oben ermöglichen ein seitliches verschieben der gesamten Platte um an den dahinter verborgenen Schrank zu gelangen.



der bemalte Gips-Kamin




Die bewegliche Spiegelplatte



die fertig dekorierte Spiegelplatte







Nun kamen endlich die beiden Türen für den Alkoven an ihren Ort.
Bereits zuvor waren die Türen (im Grunde nur MDF Bretter) ebenfalls von einer Seite tapeziert worden. Die Leisten gaben dem Türbrett zusätzliche Stabilität und ahmten gleichzeitig die Gestaltung der Wände nach. Der Alkoven wurde nun auch vollendet: die Innenwände wurden mit einem schönen , schweren Brokat bezogen. Aus dem gleichen Stoff nähte ich die Vorhänge und die Bezüge für die Kissen des Sofas, das ebenfalls mit dem Stoff neu bezogen wurde.
Im 18. Jahrhundert war es durchaus üblich alle Stoffe eines Raumes, also Vorhänge, Bezüge, Wandbespannungen aus dem gleichen Stoff zu gestalten.
Das wollte ich jedoch nicht, ich entschied mich für einen farblich passenden Stoff im spätbarocken Stil in rot und gold um etwas mehr Farbe in den Raum zu bringen. Außerdem erinnerte mich der Stoff ein wenig an das Schlafzimmer Louis XIV. Der Alkoven wurde so zudem zu einem richtigen Blickfang (und einem sehr gemütlichen Eckchen).

Die Vollendung folgte dann mit dem Anbringen der Vorhänge und Schabracke im Alkoven und die letzten Stuckarbeiten, die dann schließlich noch vergoldet wurden.




Anbringung der Stoffauskleidung


Vorhänge passen, ebenso die Türen, die jedoch noch im Rohzustand sind



Der fertige Alkoven, Lily gefällt es zumindest schonmal



Die Bibliothek mit ihren "geheimen Funktionen"



Aktenschrank, Minibar und PC-Fach sind unsichtbar.... und hier sind die verborgenen Bereiche geöffnet:






Das Mobiliar:

An Mobiliar reduzierte ich mich auf das Nötigste, da ich den Raum nicht zustellen wollte.
2 Sessel, 8 Stühle, ein Sekretär, das alte, aber mit neuem Stoff bezogene Sofa sowie der Spieltisch und natürlich meine Lieblingsgemälde waren im Grunde die gesamte Einrichtung. Vasen und die obligatorische Uhr werden irgendwann mal folgen.

Zu den Gemälden, es handelt sich hierbei um echte Ölgemälde, allerdings Kopien nach Alten Meistern ca. 40 - 50 Jahre alt.
Ich habe bewusst keine "Rokoko-Gemälde" aufgehängt, da ich die Malerei des 18. Jahrhunderts als solche nicht sonderlich mag, sie interessiert mich natürlich, wenn Orte oder Kleidung der Zeit wiedergegeben werden, aber das war es dann auch.
Ich schätze die Malerei des 17, Jahrhunderts über alle Maßen und daher kamen auch nur solche Bilder in Frage. Die Bilder hingen im Haus meiner Großeltern, ein befreundeter Maler meines Großvaters hatte sie wohl in den 70er Jahren gemalt. Sie begleiten mich im Prinzip mein ganzes Leben und haben eine ganz große Bedeutung für mich. Daher ist jedwede Diskussion überflüssig ob sie nun in diesen Raum zu 100% passen oder nicht.Eigene Bilder hänge ich grundsätzlich nicht auf, es ist fast genau so, als führe man sich selbst Zaubertricks vor - uninteressant.

Hinzu kam ein gedrechselter Holzständer den ich vor Jahren mal vom Sperrmüll gerettet und danach aufbereitet hatte, auf dem nun ein schwerer Kerzenleuchter steht.
Auf dem Spieltisch fand eine kleine chinesische Deckelvase ihren Platz, im Alkoven wurde meine alte Christusfigur aufgehängt - als gläubiger Mensch für mich ein Muss.
die "historischen Möbel" sind allesamt Repliken.



Die Beleuchtung:

Die elektrische Beleuchtung ist auf ein Minimum reduziert.
In der Vorkammer gibt es versteckt ein so genanntes "Push Light" wenn man mal an den Schrank muss und das Tageslicht nicht mehr ausreicht, das gleiche für den Wandschrank.
Indirekte LED Beleuchtung nur im Alkoven, sowie eine kleine Lampe neben der Bibliothek auf der Fensterbank sind im Grunde die ganze elektrische Beleuchtung.
Der Raum kommt ohnehin am besten zur Geltung, wenn er nur mit Kerzen beleuchtet wird.
Der Raum ist zu niedrig für einen Deckenleuchter - dies war auch in den privaten Kabinetten in Versailles so, also werden Kerzen nur von den Tischleuchtern und den Appliken am Spiegel aufgenommen.
Das Kerzenlicht reflektiert sich im Spiegel und den Vergoldungen der Möbel und Wände, so dass der ganze Raum, auch mit wenigen Kerzen, in ein herrliches goldenes Licht getaucht wird - etwas was heutzutage in den Schlössern nicht mehr zu erleben ist.
Elektrische Beleuchtung macht diese Raumkonzepte eigentlich kaputt, deswegen verbannte ich auch bei mir diese Art der Beleuchtung aus meinem Heiligtum und reduzierte mich auf eine Art Notbeleuchtung.
 

Das Kabinett mit aufgebautem Spieltisch bei Kerzenschein


Das Kabinett mit aufgebauter Tafel für 9 Gäste







Viel wurde wieder verwendet, oder Zweckentfremdet - Beispiele:
Der große Spiegel über dem Kamin, ursprünglich ein selbstgebauter Spiegel meines Onkels für den Flur meiner Großeltern - sollte eigentlich auf den Sperrmüll: ich nahm ihn mit, und überarbeitete ihn komplett. Aus diesem Stück Sperrmüll ist nun ein zentraler Blickfang im Kabinett geworden.
Dann das alte Ikea-Regal (für diejenigen, die es interessiert, es hieß im ersten Leben "Ivar") dessen Regalböden für die neue Bibliothek zurechtgesägt und wiederverwendet wurden. Das Ruhebett, meine alte Studentencouch, die ich neu polsterte und bezog....usw.
Monatelange intensive und anstrengende Arbeit neben dem Alltag, die aber meist Spaß machte und sich mehr als gelohnt hat. Zudem ist im Falle eines Auszuges alles auch wieder demontierbar.

Jetzt gilt im wahrsten Sinne des Wortes: My Home is my Palace!
Und  hiermit sei bewiesen, man kann auch mit sehr geringen Mitteln, mit viel Kreativität, Geschmack und dem nötigen know-how Träume Wirklichkeit werden lassen, man muss es nur wollen und tun.